Ich fahre ins schönste Viertel von Wien, wo meine Ärztin ein eigenes kleines Krankenhaus führt. Ich sitze im Wartezimmer und schaue mich um und lese in einer Zeitschrift eine Biographie der Frau Doktor. Wirklich unglaublich, was einige Menschen in ihrem kurzen Leben arbeiten bzw. erreichen. Da bin ich ja wirklich froh, dass sie als Spezialistin meine Brüste wiederherstellen wird.
 
Ich werde aufgerufen. Eine super hübsche und sehr sympathisch wirkende Frau sitzt am Schreibtisch des Sprechzimmers – zum Glück, schließlich muss sie mich operieren, da sollten das Gefühl und die Sympathie schon stimmen. Wir sprechen kurz über mich und meine Diagnose, dann klärt sie mich über die verschiedenen Rekonstruktionsvarianten auf. Ich erkläre ihr recht schnell, dass ich für mich nur Implantate in Frage kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir irgendwo Muskeln  umgeklappt werden, um daraus eine Brust zu formen. Denn bei der Rekonstruktion aus Eigengewebe passiert genau das, dass Abschnitte von Haut, Fettgewebe oder Muskulatur aus einem bestimmten Körperbereich (Rücken- oder Bauchbereich, Gesäß, Oberschenkel) in die Brustregion verlagert werden. Vorteile sind zwar, dass körpereigenes Gewebe verwendet wird, die Brust sich echter anfühlt und keine Fremdkörper oder künstliche Produkte benötigt werden, um eine neue Brust zu erschaffen. Doch erstens stört mich der Gedanke weniger, einen Fremdkörper in mir zu haben und zweitens ist das Verfahren mit größeren Operationen verbunden. Es bedeutet in der Regel, länger im Krankenhaus bleiben zu müssen und sich langsamer zu erholen als bei Brustimplantaten. Noch dazu entstehen viel mehr Narben an der Stelle, an der der Hautlappen entfernt wird, als auch an der Stelle der Rekonstruktion. Außerdem erklärt sie mir, wenn ich aktiv Sport treibe, die Verwendung meines eigenen Gewebes Beschwerden und Probleme verursachen können. Und da es mein Ziel ist, schnell wieder Sport zu treiben, kommt diese Variante für mich nicht in Fragen, denn schon jetzt leide ich unter Entzugserscheinungen. Klar es gibt natürlich auch Nachteile, beispielsweise dass die Implantate einer gewissen Materialermüdung unterliegen und gewechselt werden müssen aber ich habe mich trotzdem für Implantate entschieden.
  
Bevor sie weiter sprechen kann, frage ich sofort, ob wir gleich beide Brüste abnehmen bzw. rekonstruieren können, auch wenn der Befund der Biopsie der rechten Brust negativ sein sollte. Ich schildere ihr meine Gründe für diese Entscheidung. Klar kann der Brustkrebs auch so wiederkommen, doch die Gefahr ist kleiner, weil weniger Gewebe da ist.  Glücklicherweise versteht sie meine Angst sehr gut und stimmt zu, beide Brüste abzunehmen und mit Implantaten zu füllen.
  
ABER sie klärt mich auf, dass nach dem Abnehmen der Brüste nicht sofort Implantate eingesetzt werden können. Bei mir werden unmittelbar nach der Mastektomie auffüllbare, ballonartige Implantate aus Silikon hinter den großen Brustmuskel eingesetzt, die Gewebe-Expander genannt werden. Diese Expander werden dann allmählich von außen mit Kochsalzlösung aufgefüllt, wodurch die Haut gedehnt wird. Es ermöglicht meiner Ärztin, die Form der rekonstruierten Brüste im Rahmen der zweiten Operation zu verändern. Auf diese Weise werden in der Regel bessere kosmetische Ergebnisse erzielt als bei Anwendung eines Implantats ohne vorherige Dehnung. Die regelmäßige Füllung der Expander ist körperlich nicht belastend, aber das Verfahren ist zeitaufwendig und mit zwei Operationen verbunden, verursacht aber keine zusätzlichen Narben, da die Hautschnitte im Bereich der Narben der ersten Operation erfolgen. In der zweiten Operation circa drei bis sechs Monate nach der ersten können die Expander dann durch die eigentlichen Implantate ersetzt werden.
  
Das heißt für mich im Klartext, dass ich ein paar Wochen überhaupt keine Brüste haben werde….. Plötzlich schießt mir in den Kopf, dass ich mir für die Hochzeit meines Bruders ein Petticoat-Kleid gekauft habe. Wie das wohl aussieht ohne Brüste? Da fällt mir auch schon die nächste, wichtigste Frage ein, wie lange muss ich überhaupt im Krankenhaus bleiben? Schaffe ich es zur Hochzeit?
  
Ich kann es nicht fassen! Was denke ich da eigentlich???? Ich glaube, ich überdenke noch einmal meine absolut hirnrissigen „Probleme“, die mir gerade im Kopf herumschwirren. Habe ich mich gerade wirklich darüber aufgeregt, dass mein Kleid nicht passt??? Ich glaube, langsam dämmert es mir ein wenig, was da bald passieren und was das für Auswirkungen auf mein Leben haben wird. Vielleicht ist das ja ein Schutzmechanismus, dass ich mich über völlig unwichtige Dinge Sorgen mache, um die sorgenvollen Dinge auszublenden.
  
Jetzt konzentriere ich mich wieder auf unser Gespräch, denn ich höre gerade etwas, für mich, ganz Neues…. Es kann sogar passieren, dass meine Brustwarzen entfernt werden müssen, weil es auch Drüsen sind, die ebenfalls Krebszellen enthalten können? Ein neuer Schock! Wie entfernen? Wegschneiden? Und dann? Wie sieht das denn aus? Ich frage nach und erfahre, dass die Brustwarze aus Haut rekonstruiert werden kann und alles inklusive des Warzenhofs später tätowiert wird und dann sollen sie aussehen wie echt. Oh man! Echt jetzt? Was kommen wohl sonst noch für Hiobsbotschaften? Was soll ich denn noch alles verkraften? Keine Brustwarzen? Und ich erfahre erst nach der Operation, ob sie noch da sind oder nicht? Mir ist gerade etwas schlecht.
  
Ich kann mir das alles noch nicht so richtig vorstellen. Eine Frage ist, die mir schon lange auf der Zunge liegt: „Wenn schon alles raus muss und ich neue Brüste bekomme, kann man sie dann vielleicht etwas schöner und größer machen als vorher? Nicht zu groß, denn ich bin ja Sportlerin und brauche keine „MonsterBoobis“, aber sie könnten ein bisschen größer und endlich beide gleich groß sein 😊.“ Meine Ärztin lacht mich an und sagt: „Ja klar! Wir machen jetzt aus dem Unglück das Beste, was wir rausholen können, um Sie wieder glücklich zu machen.“ Echt jetzt? Ich bekomme neue schöne Brüste trotz Brustkrebs? Das fühlt sich irgendwie nach einem Strohhalm an, der mich über Wasser halten könnte, um mich das alles seelisch besser überstehen zu lassen.